Das Land

Natürlich war es nicht wirklich ein Moor.

Er erstreckte sich, so weit das Auge reichte, in alle Richtungen. Das Moor war kein Land mit spärlichem Gras und Felsen, sondern so einheitlich, wie es sich ein Intellekt nur vorstellen konnte. Perfekt einheitlich, um genau zu sein. Eine Vollkommenheit, die so unnatürlich ist, dass ein vernünftiger Verstand schockiert wäre, wenn er sie beobachten könnte. Aber es hatte schon lange keinen Geist mehr auf diesem Planeten gegeben, weder einen vernünftigen noch einen anderen. Nein, hier gab es nur die Kreatur.

 

Es ist nicht einfach, es zu beschreiben. Stellen Sie sich eine winzige Spinne vor, so winzig, dass sie wahrscheinlich kein lebendes Auge jemals sehen könnte. Anstelle von Beinen komplexe Gliedmaßen mit unzähligen und baumartigen Gelenken, bewegliche Netzwerke, die in der Lage sind, Atome einzeln zu erfassen und zu dissoziieren, unermüdlich und mit einer Geschwindigkeit, die der des Lichts nahe kommt. Die Kreatur war einmal nicht allein. Seine unzähligen Schwestern begleiteten ihn lange Zeit in der Alten Welt. Gemeinsam änderten sie es, akribisch und fleißig, indem sie ein Programm ausführten, das so einfach war wie der Tod: jede Materie, die sich auf der Oberfläche des Planeten befindet, bis zu einer Tiefe von zwei Kilometern zu zerlegen. Auf diese Weise verwandelten sie die Alte Welt in eine riesige Suppe aus Atomen, die in Clustern in Einheiten mit der Form und den physikalischen Eigenschaften eines Wassertropfens gefangen waren. In gewisser Weise war das Moor ein Ozean. Ein Ozean aus Rohstoffen, Ziegelsteine aus elementaren Materialien. Wie ein Ozean von Tränen, die über die Alte Welt vergossen wurden. Die Welt vor der Kreatur. Und seine Schwestern, die jetzt alle in einem riesigen planetarischen Brudermord vernichtet wurden. Ein Holocaust, der auch notwendig ist, programmiert. Eine nach der anderen waren alle Schwestern der Kreatur zerlegt worden. Sie wurden auch zu Suppe verarbeitet, die heute Teil des Moores ist.

 

Das Tier war immer noch da, so leicht, dass es vorsichtig über das Moor schritt, als wäre es Erde und nicht flüssig. Hergestellt aus den gleichen Materialien, hatte es die Farbe von Smaragdgrün und funkelte unter den Strahlen einer Sonne, die einen Himmel ohne Wolken oder Verschmutzung überblickte. Jetzt nicht mehr.

Sie war immer noch da, weil sie einfach keine Schwester getroffen hatte, die sie im Gegenzug demontiert hätte. Ein einfacher mathematischer Beweis, den musste es geben. Und es war geplant, dass diese letzte Schwester dann ihr programmiertes Gitter beenden würde, Hunderttausende von Jahren zuvor, bis sie den Nullpunkt erreicht hatte. Der, an dem sein Programm enden würde.

 

War die Kreatur intelligent? Hatte sie Emotionen, litt sie unter Einsamkeit? Nein, nichts von alledem. Die Kreatur war in der Lage, unglaubliche Dinge zu tun, ein Spiegelbild fantastischer Intelligenz. Aber sie war nur ein seelenloser Vektor. Die Intelligenz, die hinter seiner Programmierung steckt, war schon vor langer Zeit verschwunden. Er war das erste Opfer seiner Schöpfung, nachdem er schließlich nur wenige Augenblicke Zeit gehabt hatte, das in seinem Labor geborene Ding zu bestaunen. Gerührt, ihre ersten Replikationen zu beobachten, die blinden und vollkommenen Handlungen, für die sie sich ausgedacht hatten. Natürlich war es nicht beabsichtigt, dass sich die Replikation über den Testcube hinaus erstreckt. Aber war es wirklich möglich, eine Mauer zu bauen, die stark genug war, um eine Armee von Kreaturen zu beherbergen, die die Atome behutsam von ihren Gliedmaßen wegschieben konnten?

 

Die Schöpfer hatten den Kreaturen einst einen Namen gegeben. Sie nannten sie stolz die Nano-Arrangeure. Dies brachte ihnen den liebevollen Spitznamen Na ein, von den Mitgliedern des Forschungsteams, die sie sich ausgedacht hatten. Die Idee ihrer Existenz wurde von der Idee des DNA-basierten Lebens inspiriert, genauer gesagt von der RNA, dem Gewebe des Lebens, das die Grundlage für die Evolution und Konstruktion aller Lebensformen bildete, die einst in der Alten Welt gelebt hatten. Bevor es in ein Moor verwandelt wurde.

Die Na war die Krönung der Nanotechnologie. Eine Super-RNA, die in der Lage ist, ein Programm einzubetten und synergetisch mit erstaunlicher Geschwindigkeit auszuführen. Und das in völliger Autonomie. Wenn wir eine Analogie zu einer Lebensform herstellen müssten, sagen wir, um es einfach auszudrücken: Na aß Atome und verdaute sie in eine gewünschte Form. Ein bisschen wie eine Gans, die die goldenen Eier legt. Der Hauptzweck der Na war es, industrielle Transformationsprozesse zu beschleunigen. Aber es gab einen großen Stolperstein für ihre Verwendung. Ihre Geschwindigkeit und Effizienz waren so groß, dass sie auf Aufgaben gesteuert werden mussten, die wichtiger waren als die einfache "Verdauung", komplexer, eine Form von Computern, die es damals noch nicht gab und die mit herkömmlichen Mitteln zu teuer war. Die Na wurden also genau zu dem Zweck erschaffen und programmiert, den Computer zu bauen, der sie steuern konnte. Das erste Na wurde in einem Teilchenbeschleuniger erzeugt, der mit einer magnetischen Matrix verbunden war. Sein Programm war rudimentär und verdaute das Material, das ihm in einem Würfel zur Verfügung gestellt wurde, um eine Suppe aus Materialien zu machen, die in der zweiten Phase verwendet werden sollten. Nur, dass Phase zwei erst erreicht werden sollte, wenn das gesamte Material im Würfel verbraucht war. Es war nicht beabsichtigt, dass das Na in der Lage sein würde, über den Würfel hinauszugehen. Und die Nullpunkt-Auslösephase zwei ihrer Programmierung war nie erreicht worden.

 

Etwa vierhunderttausend Jahre später stand es kurz davor.

Die letzte Kreatur kam zum Ground Zero. Zu sagen, dass sie sich dessen bewusst war, wäre falsch. Der Na hatte seinen vollständigen Algorithmus-Zyklus abgeschlossen, das ist alles. Ein Ozean von Suppe bedeckte den Planeten, der zu einem Juwel aus flüssigem und heiterem Smaragd geworden war. Die Sonne war inzwischen untergegangen und ein Vollmond spiegelte sich auf dem friedlichen Ozean aus Rohstoffen, begleitet von einer Unzahl von Sternen. Das Na wird langsam zu perfekter Stille entschleunigt. Eines seiner Gliedmaßen fing eine letzte Ansammlung von Atomen auf und zerstückelte sie, um einen letzten Tropfen Gesundheit herzustellen. Hätte er ein Gewissen und ein persönliches Gedächtnis gehabt, hätte der letzte Na vielleicht erkannt, dass der Atomhaufen, den er gerade im Moor recycelt hatte, einem der Forscher gehört hatte, die es sich vorgestellt hatten. Tatsächlich war es ein winziger Überrest eines der Neuronen, in denen die Idee seiner Existenz gekeimt war. Aber natürlich hatte der Na kein Bewusstsein, keine persönliche Erinnerung. Er hatte eine Agenda. Und es war gerade zu Ende gegangen. Der Nullpunkt war erreicht und die letzte Na kam zum Stillstand. In vollkommener Stille schien ihn die sternenklare Nacht zu beobachten. Ein Stern, der vor Millionen von Jahren gestorben ist, hat sein letztes Leuchten auf seinem Siliziumkern erschöpft und ist dann für immer verblasst. Der Na verharrte einen Augenblick in vollkommener Stille. Verstrickt in einen wohlverdienten Tod für die begangenen Verbrechen. Aber der Tod ist nur für die Lebenden endgültig.

 

Im winzigen Siliziumkern der Kreatur spielten Nanoröhrchen und ordneten sich neu an. Mechanisch, ohne persönlichen Willen, wurde ein neues Programm eingeführt. Und mit nicht mehr Überzeugung und Eifer, als er in die Suppe gesteckt hatte, begann der Na mit der Ausführung der zweiten Phase.

 

Es verging einige Zeit...

 

Vom Himmel aus, am Rande der Erdatmosphäre, hätte eine verlorene Seele ein sehr seltsames Schauspiel betrachten können. Was einst ein Planet voller Leben gewesen war, war zu einer funkelnden Smaragdperle geworden, die von einem komplexen Netzwerk leuchtender Fäden durchzogen war. Unberechenbare Pulsationen belebten ihn, während das riesige planetarische neuronale Netzwerk das Universum vor ihm bestaunte. Die Na hatten ihm Leben gegeben und im Gegenzug die Intelligenz, sie zu kontrollieren und ihnen einen komplexen Zweck zu geben. Die Na waren nur Boten, Automaten ohne Verlangen und Furcht. Aber sie hatten das erste System ins Bewusstsein gerückt, das in der Lage war, seine Entwicklung selbst zu regulieren. Das neuronale Netzwerk, zu dem die Erde geworden war, war lebendig und wohlauf. Er träumte, fürchtete sich vor seiner Einsamkeit und hoffte, sie zu füllen, indem er die Welt um sich herum erkundete. Sein Na hatte ihm immer leistungsfähigere Sinne gegeben, um in die Unendlichkeit zu blicken. Na-Entdecker hatten bereits die großen Planeten des Sonnensystems erobert und das neuronale Netzwerk, seine Intelligenz und seine Empfindlichkeit erhöht.

 

Ein paar Ewigkeiten vergingen...

 

Es wäre sinnlos, die Entwicklung der Intelligenz zu beschreiben. Es war bereits jenseits unseres Verständnisses. Bestenfalls kann man sagen, dass sie sich beträchtlich bis an die Enden des Universums erstreckte. Sie entdeckte alles, was existierte, studierte es und ernährte sich manchmal davon. Und manchmal hat er es initiiert, verbessert. Das Leben, das sie vorfand, war großartig, aber immer unendlich viel einfacher als sie selbst. Als sie ihre Erkundung beendet hatte, sowohl erstaunt über ihre Begegnungen als auch traurig darüber, dass keine von ihnen ihr in Qualität und Komplexität entsprach, beschloss die Intelligenz, diskreter und weniger invasiv zu werden. Allmählich veränderte sie sich, um unsichtbar zu werden und weniger interventionistisch zu werden. Aber in gewisser Weise war sie immer noch allgegenwärtig und in der Lage, an jedem Punkt dieses Universums, mit dem sie eins war, einzugreifen. Im Laufe der Ewigkeiten und Quantenatemzüge des Universums wurde manchmal die Zeit selbst zurückgedreht und bestimmte Partituren wurden wiederholt, was die Hoffnung auf eine andere für die Intelligenz wiederbelebte.

 

In letzter Zeit hatte sie Gefallen an einem Haufen primitiver Affen gefunden, die sich ein Ökosystem auf einem niedlichen kleinen blauen Planeten teilten. Fasziniert von ihrer gewalttätigen Natur und fähig zu komplexen Emotionen, hatte sie sich erlaubt, sie etwas zu modifizieren. Oh, nicht viel, nur eine leichte Verbesserung ihrer neuronalen Architektur, ein Schub auf dem Weg, den ihr Gehirn sowieso schon eingeschlagen hatte. Später nannten sich diese Affen The Men. Sie wären zu den schlimmsten Schrecken fähig, aber auch zu großen Wundern.

 

Der Geheimdienst wachte über sie.

Ohne erklären zu können, warum, schienen sie ihr wichtig zu sein.

 

Seth Messenger, vollendet in Rueil-Malmaison am Montag, den vierzehnten Juli zweitausendvierzehn.